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Unser AMEOS Chirurgischer Newsletter

Chirurgischer Newsletter

Torsion/Volvolus der Gallenblase

Eine 82-jährige schlanke Frau präsentiert sich mit kolikartigen rechtsseitigen Oberbauch-Schmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken. Palpatorisch imponiert ein Druckschmerz subcostal rechts – Murphy negativ. Normales Notfall-Labor. Sonographisch «riesige Lebercyste», keine Konkremente der Gallenwege. Im CT V.a. Papillenprozess mit Aufstau der Gallenwege.

Anamnestisch bekannt eine Pacemaker-Implantation bei Vorhofflimmern sowie eine Niereninsuffizienz (GFR 67 ml/min) nach Nephrektomie links. Xarelto 20 mg/die.

Am Folgetag Schmerz-Crescendo. Das aktualisierte Labor zeigt nun eine aufschiessende Entzündungskonstellation (CRP 110mg/l, Leucos 14); alle anderen Werte sind normal. Nun werden wir Chirurgen konsultiert und sehen im Ultraschall eine Dreischichtung des Cystenwand, weswegen wir die Operationsindikation bei V.a. «Cholecystitis» durchsetzen. Aufgrund der fehlenden Gallensteine und der ungewöhnlichen Situation mit diskrepanten Befunden wählen wir als Zugang den Subcostalschnitt.

Intraoperativ überrascht eine ventral der Leberunterkante liegende hämorrhogisch-nekrotische Gallenblase. Sie ist mit einem ligamentären Mesocysticum lax an der Leber angehängt, 2,5x im Uhrzeigersinn torquiert und stranguliert. Die Cholecystektomie verlangt lediglich zwei Ligaturen. Die postoperative Erholung dauert einige Tage, sie ist aber ungestört. Das juxtapapilläre Duodenaldivertikel ist nicht behandlungsbedürftig.

Coronares CT: cytische subphrenische Raumforderung mit kräftiger Wandung und Dilatation der Gallenwege

(Röntgeninstitut Rodniag)

Operationspräparat: pathoanatomisch Cholecystitis acuta ulcero-gangränosa mit ausgeprägten Einblutungen

Originalzeichnung von 1898

Kommentar

Die Torsion der Gallenblase ist ein sehr seltenes Ereignis. Seit der Erstbeschreibung 1898 wurden nicht einmal 500 Fälle in der Literatur publiziert. Meist geschehen sie - wie in unserem Fall – bei älteren schlanken Frauen. Der Volvolus geschieht nicht bei normaler Einbettung der Blase in die Leberunterseite sondern bei einem überlangen Mesocysticum mit gänzlich peritonealisierter Vesica biliaris pendulans. Akute Torsionen beginnen plötzlich mit Oberbauchschmerzen. Zu Beginn ist - wie in unserem Fall - die Interpretation der Befunde schwierig, zumal infolge der venösen Abflussstörung die Entzündungswerte erst nach der totalen Gangrän ansteigen. So wird meist im Stadium des venösen Infarkts operiert und hoffentlich vor Perforation und galliger Peritonitis.  Die chronische Torsion hingegen ist eher eine rezidivierende und inkomplette ohne venöse Strangulation, die sich mit mehrstündigen Schmerzattacken im rechten Oberbauch äussert. Wegweisend ist die tief an der Leber herabhängende Gallenblase («floating gallbladder»). Die laparoskopsiche Cholecystektomie beseitigt das Problem.

Zitat

Wendel AV. VI. A case of floating gall-bladder and kidney complicated by cholelithiasis, with perforation of the gall-bladder. Ann Surg. 1898;27:199–202.

Prof. Dr. med. Dr. h.c.

NORBERT RUNKEL

Chefarzt Chirurgie, 
Leiter der Klinik für Chirurgie,
Facharzt FMH für Chirurgie, speziell Viszeralchirurgie und Intensivmedizin
AMEOS Spital Einsiedeln

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