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Rezidiv-Leistenbruch

Ein 67-jähriger Mann kommt mehrere Wochen nach offener Netzimplantation (Lichtenstein-Repair) wegen einer Inguinalhernie erneut in die Sprechstunde. Er klagt über eine Schwellung in der Leiste. Klinisch imponiert eine enteneigrosse reponible Femoralhernie mit Darminhalt. Wie ist es dazu gekommen?

Abb.1: anatomisches Schema der Leiste «von aussen»

In den 80er Jahren wurde die Bassini-Technik, bei der das Dach des Leistenkanals (M. transversus abdominis) an den Boden (Ligamentum inguinale) angeheftet wird, aufgrund hoher Rezdivraten von über 15% durch die Shouldice-Technik abgelöst, bei der die Hinterwand des Leistenkanals (Transversalisfaszie) durch Naht verstärkt wird. Schon 10 Jahre später setzte sich die Netz-basierte offene Rekonstruktion der Hinterwand (Lichtenstein) durch. Die genannten offenen transinguinalen Verfahren adressieren direkte und indirekte Inguinalhernien -  nicht aber die Femoralhernien. Kurze Zeit später kamen neue minimal-invasive Verfahren auf und schon zur Jahrtausendwende etablierten sich die Standardtechniken der total extraperitonealen (TEP) und transabdominellen (TAPP) präperitonealen Netzimplantation. Mit diesen endoskopisch-laparoskopischen Zugängen wird das Netz nicht von aussen auf die Bruchlücke, sondern von innen gegen diese platziert. Diese Netzposition ist wegen der Druckrichtung die physiologischere und erlaubt deshalb die rasche Vollbelastung nach einigen Tagen. Sie hat zudem den Vorteil, alle potentiellen Bruchlücken der Leiste (direkt, indirekt, femoral) simultan verschliessen zu können.

Abb. 2: endoskopisch-laparoskopische Anatomie der Leiste «von innen»

Rezidive nach endoskopisch-laparoskopischen Operationen sind eine Rarität und wohl meist ein technischer Fehler: zu kleines Netz (Standard 15x10 cm), Fehlposition, Restlipom, Dislokation bei Desufflation. Rezidive nach Lichtenstein-Repair sind selten (1%) und meist dem Progress der Instabilität geschuldet: Ausreissen der Verankerungen, Aufweiten der Femorallücke. 

Die Femoralhernie unseres Patienten ist kein Rezidivbruch und auch keine neue Femoralhernie sondern die Persistenz einer solchen. Offensichtlich hatte der kachektische Mann schon initial eine totale Instabilität der Leiste mit einem Doppelbruch inguinal und femoral. Letzterer war aufgrund der grotesken Kyphose klinisch nicht erkannt worden und ein Ultraschall der Leiste war präoperativ nicht durchgeführt worden. Der infolge einer COPD schwerstkranke Mann musste bei Narkosebeginn reanimiert werden, so dass auf dem Operationsteam ein erheblicher Zeitdruck lastete. Der Schenkelbruch war durch die Narkose-Relaxation reponiert und intraoperativ nicht evident. Da die Schenkellücke wenig symptomatisch und gut reponibel ist, wird in diesem besonderen Fall auf eine weitere Operation verzichtet.

Schlussfolgerung

Die Ultraschalluntersuchung der Leiste sollte zur Differentialdiagnose der Leistenbrüche regelhaft zur Anwendung kommen.

Prof. Dr. med. Dr. h.c.

NORBERT RUNKEL

Chefarzt Chirurgie, 
Leiter der Klinik für Chirurgie,
Facharzt FMH für Chirurgie, speziell Viszeralchirurgie und Intensivmedizin
AMEOS Spital Einsiedeln

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